Passen Marken und Design-Systeme zusammen? Sind Marken von Design-Systemen abhängig? Oder geben sie einer Marke den letzten Schliff? Diese und weitere Fragen diskutieren wir mit Christoph Faschian (Studio Lead Hamburg und Executive Design Director) und Christian Leuenhagen (Design Director, Köln). Nach ihrem Vortrag auf den ausverkauften Design Business Days sprachen wir mit ihnen über Trends, Flexibilität und darüber, wie Design-Teams effizient Marken aufbauen und langfristig stärken.
Christoph, warum Design-Systeme unerlässlich in der Marken-Kommunikation sind? Und wieso braucht es sie, um eine Marke effektiv zu stärken und ein konsistentes Markenerlebnis zu schaffen?
Christoph Faschian: In einer immer vielfältigeren digitalen Landschaft gewährleisten sie über verschiedene Plattformen hinweg einen konsistenten Auftritt. Inkonsistenz kann zu Verwirrung führen, das schwächt das Markenerlebnis, darunter leidet das Vertrauen in die Marke – und schadet ihr damit im Kern. Ein richtig etabliertes Design-System kann aber noch viel mehr als „Konsistenz“. Es unterstützt dabei, die Marke viel ganzheitlicher, einzigartiger, zwingender zum Leben zu erwecken – und kann auch intern viel bewegen. Es hat die Kraft, Silos aufzubrechen. Ein besseres Verständnis und Alignement zwischen Brand-, Marketing-, Produkt- und Technologie-Verantwortlichen zu schaffen. Design-Systeme sind nicht nur Mittel zur Gestaltung – sondern zur Transformation auf ganz vielen Ebenen.
Wie kann ein gut durchdachtes Design-System die Effizienz im Designprozess steigern? Und wie wird die Zusammenarbeit im Team verbessert?
Christian Leuenhagen: Ein Design-System bietet wiederverwendbare Designelemente und -komponenten, dies beschleunigt die Gestaltung neuer Inhalte. Das spart Zeit und Ressourcen. Zudem erleichtert es die Zusammenarbeit, da alle Teammitglieder auf denselben Design-Grundlagen arbeiten. Alle im Team setzen die Änderungen nahtlos um. Mit Lego-Bausteinen lässt sich das wunderbar veranschaulichen: Alle Komponenten sind wie bei Lego miteinander kombinierbar und im Design-System dann passgenau auf Webseiten, Apps sowie auf interne und externe Anwendungen anwendbar.
Design-Trends verändern sich ständig. Wie bleibt ein Design-System flexibel, um auf aktuelle Gestaltungstrends einzugehen, während es gleichzeitig die Markenkonsistenz bewahrt?
Christian Leuenhagen: Ein agiles Design-System berücksichtigt Trends, ohne die grundlegenden Markenwerte zu gefährden. Durch regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen können aktuelle Trends integriert werden, während die Kernelemente des Designs unverändert bleiben, um die Markenerkennung aufrechtzuerhalten. Eben eine volle Lego-Kiste: jetzt ein Haus, ein Schiff oder Flugzeug. Die Nutzung des Systems gibt der täglichen Arbeiten den letzten Schliff.
„Ein Design-System schafft konsistente Nutzererfahrungen, die Vertrauen schaffen und die Nutzerbindung fördern. Klare Gestaltungsrichtlinien verbessern die Usability.“
Christoph Faschian, Studio Lead Hamburg, denkwerk
Hast du Beispiele, Christoph, und kannst uns Herausforderungen nennen, die bei der Einführung oder Pflege eines Design-Systems auftreten können?
Christoph Faschian: Neben den praktischen Herausforderungen – wie der Wahl der Tools, der Skalierung des Systems und der richtigen Schulung – ist es vor allem wichtig, gerade am Anfang die Akzeptanz und das Verständnis im Team und im Leadership zu stärken. Bei der Pflege kann ein Governance-Modell helfen, um Änderungen zu steuern und sicherzustellen, dass das System mit dem Wachstum oder sich verändernden Anforderungen der Marke Schritt hält.
Wie beeinflusst ein Design-System die User Experience und welche Rolle nimmt sie bei der Markenstärkung ein, Christoph?
Christoph Faschian: Wie könnte sich „fair“ oder „nachhaltig“ in einer digitalen Produkterfahrung anfühlen? Wie belegen wir „innovativ“ in der Experience? Oder, dass wir als Marke sehr „mutig“ sein wollen? Neben den bereits erwähnten positiven Auswirkungen auf Konsistenz, Usability, die effizientere Umsetzung usw. kann z. B. die ernsthafte Übersetzung von Markenwerten in Design-Prinzipien wirklich einzigartige Nutzerfahrungen inspirieren. Und die Marke noch viel tiefer im (digitalen) Produkt verankern.
Warum sollten wir in diesem Zusammenhang die User nicht aus dem Blick verlieren?
Christian Leuenhagen: Wir wissen durch verschiedene Untersuchungen, dass bei einem Erstkontakt das Design bei 70 Prozent der Nutzer zu einem bleibenden Eindruck führt. Und über 80 Prozent der Verbraucher vertrauen einem Unternehmen mit einer gut gestalteten Webseite. Im holistischen Sinne müssen Brand, Experience, Communication und Technik mit dem gleichen Vokabular und Mindset arbeiten.
Kannst du uns erklären, wie ein gut etabliertes Design-System Innovation fördern kann, anstatt Kreativität einzuschränken?
Christian Leuenhagen: Ein Design-System definiert die Grundlagen, die als Ausgangspunkt für Kreativität dienen. Wie schon erwähnt: Wie Lego mit seinen Steinen fördert ein Design-System die Kreativität. Dies bedeutet, durch die Lösung wiederkehrender Designprobleme können Designer ihre Zeit auf innovative Lösungen konzentrieren, anstatt sich mit grundlegenden Designfragen zu beschäftigen. Das Ergebnis sind kreative und gleichzeitig markenkonforme Designlösungen. Und: Nach einem Test von Figma sind Designer ein Drittel schneller in der Produktion. Darüber verringert sich die Zeit von Übergaben um 50 Prozent von Design ins WebDev. So minimieren wir auch einen Design-Overhead für Entwickler. Die gewonnene Zeit nutzen wir für kreative Prozesse.
„Über 80 Prozent der Verbraucher vertrauen einem Unternehmen mit einer gut gestalteten Webseite. Im holistischen Sinne müssen Brand, Experience, Communication und Technik mit dem gleichen Vokabular und Mindset arbeiten.“
Christian Leuenhagen, Design Director, denkwerk
Wie gestaltet sich die Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Agentur, dem Kunden und internen Teams bei der Entwicklung und Pflege eines Design-Systems, um sicherzustellen, dass die Vision der Marke und die Anforderungen aller Beteiligten berücksichtigt werden?
Christian Leuenhagen: Die Abstimmung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden und den internen Teams. Regelmäßige Meetings, Präsentationen und Feedback-Schleifen sind entscheidend, um sicherzustellen, dass die Marke richtig verstanden wird und das Design-System die Bedürfnisse aller erfüllt. Unter dem Strich werden wir mit Design-Systemen effizienter.
Christoph Faschian: Offene Kommunikation und klare Prozesse stellen sicher, dass alle Stimmen gehört werden. Accessibility, also Barrierefreiheit, kann systematisch berücksichtig werden: Code-Pflege wird einfacher, Ladegeschwindigkeiten, Änderungen werden reduziert … alles positive Effekte – und damit starke Argumente, die bei Abstimmungen helfen. Vision ist aber ein gutes Stichwort: Eine starke gemeinsame Vision zu haben und in diese zu investieren, macht alles einfacher.
Im Rahmen eines etablierten Design-Systems: Welche Vorteile ergeben sich aus der engen Zusammenarbeit zwischen Agentur mit den internen Teams und dem Kunden? Und wie trägt diese Zusammenarbeit zur langfristigen Stärkung der Marke bei?
Christian Leuenhagen: Diese Synergie führt zu einem Design-System, das nicht nur ästhetisch ansprechend ist, sondern auch die Marke in ihrer Vielfalt stärkt und langfristig erfolgreiche Markenerlebnisse ermöglicht. Darüber hinaus wird nach der Etablierung der Ablauf effizient – und spart Kosten.
Danke euch beiden für das Gespräch. E
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