Digitale Geschäftsmodelle

Muss es immer die Plattform sein?

Auf jede Branche lässt sich ein breites Spektrum digitaler Geschäftsmodelle anwenden. Die richtige Lösung zu finden erfordert Offenheit, Mut und ein systematisches Vorgehen.

Oftmals wird versucht, bestehende Wertschöpfungsketten eins zu eins aus der analogen in die digitale Welt zu transferieren. Dass letztere jedoch anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, ist noch immer nicht überall verinnerlicht worden. Um die zentralen Unterschiede besser zu verstehen, ist es zunächst hilfreich, einen näheren Blick auf die vier elementaren Bestandteile von Geschäftsmodellen zu werfen. Das BMN Magische Dreieck dient hierbei als Grundlage.

Anhand der Eckpfeiler lassen sich die Besonderheiten von Digitalmärkten erkennen, denn alle vier Dimensionen befinden sich im Wandel:

  • 1.

    Der Kunde („Wer?“) im Zentrum entwickelt ein neues Anspruchsdenken. Alles muss schnell und überall verfügbar sein, während die Zahlungsbereitschaft bei Basisleistungen gering ist. Für neue, innovative Services mit echten Mehrwerten sieht das anders aus: Unsere Erfahrungen zeigen, dass der Wille, hierfür einen angemessenen Preis zu zahlen, durchaus vorhanden ist. Unternehmen müssen Modelle finden, um die Erwartungshaltung „online = gratis“ zu umgehen. Einerseits, in dem relevante, zielgruppenspezifische Angebote oder andererseits alternative Umsatzkanäle etabliert werden. Letzteres führt nicht selten dazu, dass nicht mehr die Nutzer selbst, sondern Drittparteien zahlende Kunden sind.

  • 2.

    Der rasante technologische Fortschritt sowie eine weltweite Vernetzung ermöglichen neue Werteversprechen („Was?“) und hier erkennen wir vor allem für Nischenmärkte große Chancen. Während der Gestaltungsspielraum in der Breite zunimmt, wächst auf der anderen Seite der Druck durch kürzere Produktlebenszyklen und globalen Wettbewerb.

  • 3.

    Verglichen mit dem produzierenden Gewerbe, findet digitale Wertschöpfung („Wie?“) weniger gleichmäßig statt. Häufig erfordern Digitalprodukte zunächst hohe Investitionen in die Entwicklung, während im Anschluss die günstige Vervielfältigung eine gute Skalierbarkeit ermöglicht. Genau das macht digitale Geschäftsmodelle lohnenswert. Kundenbindung ist dabei so wichtig wie nie zuvor: wer Nutzer langfristig an sein Angebot bindet, minimiert die Kosten der Akquise und variable Aufwände bei konstanten Umsätzen.

  • 4.

    „Daten sind das neue Gold“: Abseits der Zahlungsbereitschaft von Endnutzern sind Daten und Traffic die Kernelemente bei der Ausgestaltung digitaler Ertragsmodelle („Wert?“). Es gilt zu verstehen, dass Daten bares Geld sind. KI hilft an dieser Stelle, effektive Vorhersagen und Muster zu generieren und ist somit eine Chance, mit der sich jedes Unternehmen gezielt auseinandersetzen muss.

Wie können diese Chancen genutzt werden?

Diese sechs gängigen Geschäftsmodelle begegnen uns immer wieder.

E-Commerce: Onlinekauf und -verkauf von Waren und Dienstleistungen.
Neben der Nutzung externer Verkaufsplattformen bieten digitale Kanäle vor allem im Direktvertrieb an Endkunden (D2C) große Möglichkeiten. Startups wie Foodspring nutzen das vorbildlich, indem sie Onlineshops in die eigene Website integrieren und somit ein niedrigschwelliges Kauferlebnis „aus einer Hand“ ermöglichen.

Plattformen: digitale Marktplätze (B2B/B2C) oder soziale Netzwerke.
Zielgruppenspezifischer Content oder die Möglichkeit der sozialen Interaktion dienen der Gewinnung sowie Bindung von Plattformnutzern. Und Nutzer bedeuten Daten und Werbewert.
Wie am Beispiel des Marktplatzes avocadostore schön zu sehen ist, empfehlen wir im Anfangsstadium die Fokussierung auf eine Nische, um von dort aus über hochqualitative Inhalte und Angebote zu wachsen. Viele Plattformen machen den Fehler, bereits zu Beginn in „Amazon-Dimensionen“ zu denken und verlieren dabei ihren klaren USP aus den Augen.

Freemium: „Free“ & „Premium“.
Hier wird über eine kostenlose Basisversion Traffic und Nutzerbindung angestrebt. Ist der User erst einmal in einem bestehenden System, fällt die Konversion hin zum kostenpflichtigen Premium-Angebot leichter.
Verwandte Ansätze für physische Güter sind sogenannte Razor-and-Blade-Modelle, bei denen preisgünstige Basisprodukte lediglich als Sprungbrett für ergänzende Produkte dienen (z. B. günstige Kaffeemaschine & teure Kapseln à la Nespresso). Auch hier wird der Kunde an ein System gebunden, um im weiteren Verlauf eine erhöhte Zahlungsbereitschaft zu entwickeln.

Subscription: Abo-Modelle.
Abo-Services haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und umfassen sowohl digitale (z. B. Spotify) als auch physische Güter (z. B. LILLYDOO Windeln). Auch für FMCG-Marken wird Subscription daher zu einem immer relevanteren Thema. Für Produkte vom Schokoriegel bis zum Proteinpulver werden nicht mehr nur der Einmalkonsum, sondern oftmals ein wiederkehrender Bedarf (z. B. alle zwei Wochen) in den Vordergrund gestellt. Gesammelte Datensätze und ein direkter Kundenkanal ermöglichen die automatisierten Bestellvorgänge.

Pay-per-Use: Variable Zahlung pro Nutzung.
Dieses Modell ist ebenfalls eine immer beliebtere Zahlungsmechanik hinter digitalen Produkten. Da vor allem Services häufig nur temporär in Anspruch genommen werden, stellt die Zahlung pro Nutzung eine Möglichkeit dar, eine geringe Kaufbereitschaft der Zielgruppe zu umgehen. Mit etwas Fantasie könnte dies als Vorbild für weitere Bereiche dienen: in der persönlichen Beratung, der Nutzung von Verpackungsmaterial oder beim Streaming von Online Content.

„Hidden Revenues“: Daten-basierte Modelle.
Bei diesem Ansatz werden Umsätze über das Sammeln von Daten und daraus resultierende Services (z. B. Werbeplatzierungen) erzielt. Der User wird dabei selbst zum Produkt, ohne sich zwangsläufig darüber bewusst zu sein. Das prominentestes Beispiel ist hier Google.
Doch die meisten erfolgreichen Online-Player bedienen sich eines Hybridmodells. So ist Amazon zwar auf den ersten Blick eine Plattform, betreibt jedoch in erster Linie datenbasierte Geschäfte sowie E-Commerce.

Wie entscheide ich mich für das richtige digitale Geschäftsmodell?

Auch wenn diese Frage leider nicht mit einem Pauschalrezept zu beantworten ist, birgt auch der Weg zum idealen Geschäftsmodell einige digitale Besonderheiten und Methoden, die sich vom klassischen Management unterscheiden. Neben dem dynamischen Spannungsfeld aus Zielgruppe, Markt, Wettbewerb und Stakeholdern, gilt es vor allem die Schnelllebigkeit von Trends und technologischen Neuerungen zu beachten. Es ist daher unerlässlich in der Vorbereitungsphase den State-of-the-Art auf technologischer Seite zu kennen und sich zudem intensiv mit aktuellen Benchmarks potenzieller Geschäftsmodelle auseinanderzusetzen.

Während der Entwicklungsphase eignen sich agile Methoden im Digitalbereich noch besser als in der physischen Welt, um sich in den häufig „unbekannten Gewässern“ vorzutasten. Versionen können in kurzen, iterativen Zyklen gelauncht und validiert werden. Durch Echtzeitdaten und Nutzerfeedback sind Hypothesen, die über das Geschäftsmodell getroffen werden, noch schneller überprüfbar. Anpassungen erfordern in der Folge keine aufwändigen Produktionsumstellungen, sondern sind im Idealfall unmittelbar von der IT durchführbar. Wichtig ist die ständige Bereitschaft, seine bisherigen Annahmen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu pivotieren (d. h. eine Kehrtwende einzuschlagen). Nur so entstehen am Ende innovative und maximal kundenzentrierte digitale Geschäftsmodelle.

denkwerk arbeitet auch in diesem Jahr genau an diesen Themen und freut sich auf viele neue Service- und Plattform-Lösungen. Hierbei kommt vor allem unser Business Design Sprint zum Einsatz, in dem wir gemeinsam mit unseren Kunden innerhalb von kürzester Zeit validierte Prototypen und Geschäftsmodelle entwickeln.

Thomas Speicher, Digital Story Director Denkwerk

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